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Hund bei Hitze im Auto - Wie kann ich helfen?

Jennifer Holst • 28. März 2022

Hund bei Hitze im Auto - Wie kann ich helfen?

Der Sommer rückt näher und es kommt leider immer wieder vor, dass ein Hund im Auto zwischen geparkt wird.

Grundsätzlich ist das kein Problem, wenn der Hund mit der Situation umgehen kann und die Temperatur im Wagen nicht über ein kritisches Maß steigt.

Entscheidend hierfür ist der Standort (direkte Sonneneinstrahlung oder Schatten), sowie ist die Außentemperatur und die Verweildauer im Auto. Die letzten beiden Faktoren stehen in unmittelbaren Zusammenhang zueinander.

In der folgenden Tabelle ist gut nachzulesen, worauf man achten sollte:

Innentemperatur im sonnigen, grauen PKW nach

Außentemperatur 5 min 10 min 30 min 60 min
20° 24° 27° 36° 46°
22° 26° 29° 38° 48°
24° 28° 31° 40° 50°
26° 30° 33° 42° 52°
28° 32° 35° 44° 54°
30° 34° 37° 46° 56°
32° 36° 39° 48° 58°
34° 38° 41° 50° 60°
36° 40° 43° 52° 62°
38° 42° 45° 54° 64°
40° 44° 56° 66°

Fallbeispiel

 

Um die Rechtslage zu verdeutlichen, stelle ich ein von mir erarbeitetes Beispiel vor, welches im Alltag durchaus vorkommen kann:

Es ist Sommer, über 30 Grad. Eine Halterin hat ihren Wagen auf einem Parkplatz halb in der Sonne stehend geparkt. Im Kofferraum sitzt bzw. liegt ein Hund.

Sie geht einkaufen und kommt auch nach bereits 30 vergangenen Minuten nicht wieder. Ein Fenster ist ein spaltbreit heruntergekurbelt, ansonsten staut sich die Hitze.

Der Hund liegt bereits auf der Seite, atmet flach und ist einem Kreislaufzusammenbruch nahe. 

 

1. Gegen welche Gesetze verstößt die Halterin?

2. Muss ich erst versuchen die Halterin zu finden oder darf ich sofort handeln?

3. Verstoße ich gegen ein Gesetz, wenn ich die Scheibe einschlage, um das Tier zu retten? Wenn ja, gegen welche?

 

Zu 1:

Die Halterin verstößt gegen das Tierschutzgesetz §1

Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

Laut § 18 handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einem Wirbeltier, das er hält, betreut oder zu betreuen hat, ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt. In diesem Fall droht laut Gesetz ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro. Geschieht das mit Absicht oder über einen längeren Zeitraum, kann laut § 17 sogar eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren verhängt oder eine Geldstrafe fällig werden.

Tierschutzhundeverordnung §8 Fütterung und Pflege Punkt 3 für ausreichende Frischluft und angemessene Lufttemperaturen zu sorgen, wenn ein Hund ohne Aufsicht in einem Fahrzeug verbleibt;

 

Zu 2:

Darf ich sofort handeln?

Es kommt auf die Situation an! Wenn es zu dem Zeitpunkt noch nicht offensichtlich akut ist: Zunächst versuchen, den Hundehalter zu finden. Erkundigungen in umgebenden Geschäften und Wohnhäusern, Passanten.

Falls der Besitzer nicht schnell aufzufinden ist, die Polizei anrufen und Situation schildern. Schätzt man die Lage im Nachgang dennoch als lebensgefährlich für den Hund ein, muss man nicht auf die Polizei warten. Man darf den Hund nach dem Notruf selbst befreien. Eine Erlaubnis seitens der Polizei ist jedoch sinnvoll.

Wenn offensichtlich akut: Strafgesetzbuch (StGB, § 34) rechtfertigt, eine Gefahr auf „Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut“ mit angemessenen Mitteln abzuwehren. Darunter fallen auch Tiere. Beim Menschen absolut verpflichtend!

Auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) steht dem Tierretter mit dem Notstandsparagrafen (§ 228) zur Seite: „Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich […].“

 

zu 3:

Verstoße ich gegen ein Gesetz, wenn ich die Scheibe einschlage, um das Tier zu retten?

Wenn die Situation offensichtlich nicht akut ist und der Halter hätte durch Nachfragen gefunden werden können, ist es möglich, dass man belangt wird.

- das Strafgesetzbuch § 303 Sachbeschädigung

(1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

 

Nach einem Ritt durch die Paragraphen kommt jetzt eine Empfehlung der Geo-Online mit einem Textauszug:

 

Darf ich einen Hund aus einem Auto befreien, ja oder Nein?

Wenn sich der Zustand des Hundes dramatisch verschlechtert oder das Tier sogar das Bewusstsein verliert, sollten Sie unverzüglich handeln. Denn je nach Verfassung des Tieres kann es notwendig sein, den Hund selbst aus dem überhitzten Fahrzeug zu retten. Bei dieser Entscheidung ist der eigene Menschenverstand gefragt. Im Zweifel kann es helfen, Passanten um ihre Einschätzung zu bitten.

 

Dokumentieren Sie den Fall mit Fotos und/oder Videos. Bitten Sie Passanten, als Zeugen zu fungieren. Prüfen Sie, ob alle Türen verschlossen sind. Ist das Auto verschlossen, schlagen Sie ein Seitenfenster des Autos ein - dies verursacht weniger Schaden als das Zerstören von Front- oder Heckscheibe.

Holen Sie das Tier aus dem Fahrzeug und bringen Sie es an einen schattigen, kühlen Ort.

Rufen Sie im Notfall die Tierrettung.

Ist das Tier bewusstlos, so bringen Sie es umgehend in die stabile Seitenlage und überprüfen die Atmung des Tieres. Normal sind etwa zehn bis 40 Atemzügen pro Minute.

Ist das Tier bei Bewusstsein, geben ihm ausreichend Wasser zu trinken. Wenn der Hund von selbst nicht trinken möchte, benetzen Sie die Zunge mit Wasser.

Kühlen Sie den Hund – aber sorgfältig und langsam. Benetzen Sie Fell und Pfoten leicht.

Warten Sie auf das Eintreffen der Rettungskräfte.

Tipp: Notieren Sie sich Namen und Adressen der Passanten, um diese im Falle eines Gerichtsverfahrens als Zeugen angeben zu können.

 

Autoscheiben einschlagen im Notfall: Die Rechtslage

Wenn jemand eine Fahrzeugscheibe einschlägt, dann handelt es sich grundsätzlich erstmal um eine Sachbeschädigung. Helfer müssen also damit rechnen, dass der Fahrzeughalter später Strafanzeige wegen Sachbeschädigung erstatten wird. Doch wie ist die Rechtslage, wenn dies im Rahmen einer Rettungsmaßnahme geschieht? Dazu gibt es in Deutschland Gesetze, das diese Art der Sachbeschädigung rechtfertigen.

Jan Ole Unger von der Hamburger Feuerwehr erklärt es so: "Der Paragraph 34 im Strafgesetzbuch regelt den "Gerechtfertigten Notstand" und erlaubt es, eine nicht abwendbare Gefahr für Leib und Leben mit angemessenen Mitteln abzuwenden. Dazu gehört auch die Rettung von Hunden. Jedoch muss man im Nachhinein zweifelsfrei belegen können, dass es sich um einen echten Notfall gehandelt hat. Man sollte also unbedingt alles dokumentieren und sich Zeugen suchen."

 

§ 34 Rechtfertigender Notstand (StGB) "Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. 2Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden."

 

Was also grundsätzlich eine Sachbeschädigung ist, kann im Rahmen eines entschuldigenden Notstands straflos sein. Dies muss jedoch in jedem Einzelfall besonders geprüft werden: Konnte mit einer baldigen Rückkehr des Besitzers gerechnet werden? Wie hoch waren die Temperaturen? Wie war die Verfassung des Tieres?

 

Entscheidet der Richter anschließend zu Gunsten des Tierretters, so muss der Hundehalter - nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (AZ 12 A 10619/05) - die entstandenen Kosten eines notwendigen Rettungseinsatzes tragen. Denn dieser trägt die Verantwortung für den Vorfall und verstößt dazu auch noch gegen das Tierschutzgesetz.

 

Das zeigt auch das kürzliche Urteil eines Münchener Gerichts (1115 OWi 236 Js 193231/17), das eine Hundehalterin zur Verantwortung zog, die ihren Hund etwa 30 Minuten im Auto zurückgelassen hatte und wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz nun eine ordentliche Geldbuße zahlen muss.

 

Jennifer Holst

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